Das vollständige Genom der modernen Ackerbohnensorte „Tiffany“ ist gelüftet

Obwohl sie zu den ältesten Kulturpflanzen gehört, ist sie genetisch nur wenig erforscht: die Ackerbohne, Vicia faba L.. Einem internationalen Forscherteam aus Pflanzengenetikern ist es nun gelungen, das Erbgut der modernen Ackerbohnensorte „Tiffany“ vollständig aufzuschlüsseln. Wichtige Erkenntnisse aus der Sequenzierung des Genoms lieferten Forschende der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Dadurch konnten entscheidende Gene bestimmt werden, die Merkmale zu Inhaltsstoffen und Samengröße kodieren. Die Basis zur Züchtung neuer Ackerbohnensorten ist somit gelegt. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature“ im März 2023 veröffentlicht.

Die Ackerbohne wurde vor mehr als 10.000 Jahren im Nahen Osten domestiziert. Ihr Wachstum in gemäßigten bis subtropischen Klimazonen, die Fähigkeit zur Stickstoff-Fixierung aus der Bodenluft mit dem damit verbundenen Vorteil des Düngeverzichts und die hohe Nährstoffdichte machen die Ackerbohne zu einer weltweit angebauten Kulturpflanze. Auch in Deutschland ist sie zu finden und trägt zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei.

Neben allen positiven Eigenschaften beinhaltet die Ackerbohne aber auch einige unerwünschte Substanzen, sogenannte antinutritive Substanzen, die die Nährstoffaufnahme behindern. Genau an diesen „Problemstellen“ setzten die Forschenden die neuen Züchtungsziele an. Doch darin liegt auch die Schwierigkeit. Das Genom besteht zwar nur aus sechs Chromosomenpaaren, doch ist es mit fast vier Millionen Basenpaaren gigantisch groß und zählt damit zu den größten bekannten Chromosomen. Die vollständige Sequenzierung des Erbguts der Ackerbohne galt daher lange als fast unmöglich.

Dank neuster Sequenzierungstechnologien ist es den Pflanzengenetikern nun doch gelungen, das Genom vollständig aufzuschlüsseln. Die Agrarbioinformatikerin Dr. Agnieszka Golicz an der Professur für Pflanzenzüchtung an der Justus-Liebig-Universität und ihr Team lieferten wichtige Erkenntnisse dazu. Ihnen ist es gelungen, die komplette Erbinformation aus Sequenzstücken der Ackerbohnensorte „Tiffany“ zusammenzusetzen und mit älteren Ackerbohnensorten zu vergleichen. Dadurch konnten Gene identifiziert werden, die Informationen zu Inhaltsstoffen und Samengrößen geben. Darüber hinaus fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass sich im Erbgut sogenannte Transposons rasch ausbreiten. Dabei handelt es sich um kurze Sequenzelemente, auch „springende Gene“ genannt, die unerwartet Verdopplungen oder das Löschen von Ackerbohnengenen verursachen. Grund dafür sind evolutionäre Anpassungen der Pflanze an äußere Einflüsse wie Klimaveränderungen. Diese Genkopien und fehlenden Gene können zur Züchtung z. B. von hitzeresistenteren Sorten relevant sein.

Um die Bioverfügbarkeit der Nährstoffe zu erhöhen, sollen bestimmte Substanzen der Ackerbohne züchterisch reduziert werden. Neue Ackerbohnensorten beinhalten dann nur noch einen niedrigen Gehalt an den Alkaloidglykosiden Vicin und Convicin sowie an Tanninen, Phytaten und Proteaseinhibitoren. Es wird zudem angestrebt, das Nährstoffprofil der Ackerbohnen zu optimieren, indem der Anteil essenzieller Aminosäuren auf die menschlichen Ernährungsbedürfnisse angepasst und gesteigert wird. Dabei sollen sich die Saatgutgröße nicht verändern und die Schädlingsresistenz nicht beeinträchtigt werden bei gleichbleibendem Ertrag.

Durch die genetische Aufschlüsselung des Genoms der Ackerbohne und der daraus gewonnen Erkenntnisse können Pflanzenzüchter sich dieser komplexen Herausforderungen zur Anpassung der Gene auf Klimaveränderungen und der gezielten Bearbeitung der Inhaltsstoffe stellen, um auch in Zukunft nachhaltige heimische Proteinpflanzen wie die Ackerbohne zu kultivieren und die Ernährung von Mensch und Tier zu sichern.

Literatur