Nebenprodukte von Hülsenfrüchten: Wertvolle Ressource für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung

Wie lassen sich die Nebenprodukte aus der Erzeugung von Lebensmitteln nachhaltig und innovativ nutzen? Diese Frage rückt angesichts von Abfallvermeidung, Ressourcenschonung und dem Trend zur Kreislaufwirtschaft immer mehr in den Fokus. Nebenprodukte – auch Nebenströme, Koppelprodukte oder Reststoffe genannt – entstehen während der Ernte und Verarbeitung vieler Lebensmitteln zusätzlich zu ihren Hauptprodukten. Bei Hülsenfrüchten gehören dazu Schalen, Bruchkörner, Extraktionsrückstände oder Fasern. Sie enthalten Nährstoffe wie Ballaststoffe, Proteine und sekundäre Pflanzenstoffe und sind damit vielversprechende Zutaten für funktionelle Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika oder Verpackungsmaterial.

Da Hülsenfrüchte weltweit eine zunehmende Rolle für die Ernährung spielen, wächst auch das Interesse an ihren Nebenprodukten. Oder anders betrachtet: Eine vollständige Verwertung aller Bestandteile würde Anbau und Verarbeitung wirtschaftlich attraktiver machen und neue Anreize für den Anbau schaffen.

Beispiele: Sojabohnen, Erbsen, Ackerbohnen und Süßlupinen

UFOP_Soja_6026.jpgSojabohnen werden zu Tierfutter oder proteinreichen Lebensmitteln wie Tofu und Tempeh sowie zu Fleischersatz oder Sojadrinks verarbeitet. Eine weitere Hauptfraktion ist Sojaöl, das in erster Linie als Speiseöl dient. Als Nebenprodukte fallen zum Beispiel Lecithin, Fasern oder der nährstoffreiche Pressrückstand an. Dieser ist unter der Bezeichnung „Okara“ ein traditionelles Lebensmittel in Asien und bei uns vor allem in der veganen Küche bekannt.

Körnererbsen enthalten viel Eiweiß und Stärke. Sie sind wichtiges Tierfutter und traditionelles Lebensmittel. Mittlerweile spielt das Erbsenprotein eine immer wichtigere Rolle bei der Herstellung veganer Produkte. Bei der industriellen Verarbeitung, insbesondere beim Schälen oder Mahlen, fallen Schalen und Bruchkörner an. Besonders die Schalen, die rund zehn Prozent des Samenanteils ausmachen, sind reich an Ballaststoffen. Außerdem konzentrieren sich hier die meisten Polyphenole.

Auch Ackerbohnen und Süßlupinen gewinnen in der industriellen und handwerklichen Erzeugung von Lebensmitteln an Bedeutung. Neben der traditionellen Nutzung als ganzes Korn, Mehl oder Schrot gerät zunehmend ihre Proteinfraktion in den Blick. Bei deren Gewinnung fallen ebenfalls ballaststoffreiche Schalen und Extraktionsrückstände als Nebenströme an.

Ballaststoffe und Polyphenole für Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel

Ein Überblicksartikel von Guo et al.[1] unterstreicht das Potenzial dieser Nebenprodukte, zum Beispiel aufgrund ihres Gehalts an Polyphenolen. Diese machen sie interessant für die Entwicklung pflanzenbasierter Nahrungsergänzungsmittel. Fasern könnten zudem zur Anreicherung klassischer Lebensmittel wie Brot oder Backwaren dienen – oder zur Entwicklung neuartiger, funktioneller Lebensmittel.

Auch in Deutschland gibt es mehrere Forschungsprojekte mit dem Ziel, Nebenströme nachhaltiger und für eine gesundheitsförderliche Ernährung zu nutzen. Das Projekt „LeguFiber“ entwickelte beispielsweise funktionelle, sensorisch neutrale und lagerstabile Ballaststoffpräparate aus Ackerbohnen, Sojabohnen und Körnererbsen[2]. Das Verbundprojekt „Nebenströme“ untersucht, wie sich durch die Nutzung von Nebenprodukten regionale Stoffkreisläufe schließen und Lebensmittelabfälle reduzieren lassen. Es fördert die Entwicklung neuer Produkte und erforscht die Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern.[3]

Perspektiven für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und Ernährung

PB_Bluete_Soja_2.jpgDie Nutzung aller Bestandteile von Hülsenfrüchten ist ein Musterbeispiel für die effiziente Verwendung knapper Rohstoffe, Abfallvermeidung und das Denken in Kreisläufen. Ein „Upcycling“ dieser Reststoffe kann die Umweltbelastung reduzieren und eine nachhaltigere Landwirtschaft fördern. Das gilt besonders für Hülsenfrüchte, denn ihr Anbau erzeugt weniger Treibhausgase und benötigt durch die Symbiose mit Knöllchenbakterien weniger Stickstoff-Dünger und verbessert den Boden.

Neben ökologischen Vorteilen ergeben sich wirtschaftliche Chancen: Große Mengen an Nebenprodukten lassen sich in hochwertige Zutaten für Lebensmittel umwandeln. Voraussetzung sind geeignete Technologien, die antinutritive Stoffe beseitigen oder die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen. So bergen Fasern und Schalen von Hülsenfrüchten ein bisher kaum genutztes Potential für eine ausgewogene Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln aus europäischer Erzeugung.


[1] Fanghua Guo, Renan Danielski, Sarusha Santhiravel, Fereidoon Shahidi: Unlocking the Nutraceutical Potential of Legumes and Their By-Products: Paving the Way for the Circular Economy in the Agri-Food Industry. Antioxidants (2024), 13, 636

[2] Fraunhofer IVV: Gewinnung von sensorisch neutralen Ballaststoffen aus Leguminosen und deren Einsatz als Lebensmittelzutat. https://www.ivv.fraunhofer.de/de/lebensmittel/funktionelle-zutaten/projekt-legufiber.html

[3] Hochschule Albstadt-Sigmaringen: Nachhaltige Proteine und Nebenströme: Forscherteam klärt auf, Pressemitteilung vom 09.02.2023, Nachhaltige Proteine und Nebenströme: Forscherteam klärt auf